Ulm.
Von Wegen Lisbeth und die heilende Kraft der funkelnden Blesse
Von außen betrachtet wirkt das Leben der fünf Popsternchen von Von Wegen Lisbeth wie ein glamouröser Rausch: Die Band öffnet erst morgens um 18 Uhr ihre Augen, Matze fragt sich jeden Tag auf’s Neue, in welcher Zeitzone er sich gerade befindet und nur wenige Stunden später findet man sich auf schillernden Cocktailparties irgendwo auf der Dachterrasse eines Luxushotels hoch über der Stadt wieder.
Doch der Alltag unserer fünf Schmandbären sieht oft anders aus: Der Festivalsommer war lang und geprägt von Hektik und Stress, tiefe Falten ziehen sich durch das Gesicht des einstigen Frauenschwarms Robert und Julians Schlagzeugsticks werden sicherheitshalber mit Klebeband an den müden Händen fixiert. Geben sie auf der Bühne noch die gut gelaunten Trinker, bestimmen im Backstage Calciumtabletten und Ingwertee das traurige Dasein der Jungs.
So entscheidet man direkt nach der Ankunft auf dem Obstwiesenfestival einstimmig: „Heut’ ist keine Party, denn wir müssen uns entspann’.“ Den Künstlerschal lässig um den Hals geworfen und einen Mandel-Honig-Tee in den Händen macht sich die Gang schließlich am Vormittag auf, um das mysteriöse Festival zu begutachten, welches angeblich keinen Eintritt und nur zehn Euro für das Campen kostet, also quasi acht Bier bei Edeka oder ein Vierhunderttausendstel vom Erlebnis Wacken. Voller Vorfreude betritt man also den Campingplatz und ist geschockt ob des Anblicks, der sich den fünf edlen Rittern bietet: Es stinkt nach Schnaps und Schweiß, die Anzahl der laufenden Flunkyballpartien kann nur grob auf 340 geschätzt werden und im ersten Camp findet ein Junge grad ein halbes Bier vom Vortag und lässt sich genüsslich Badewasser ein. „Eigentlich logisch“, ruft Robert, „Wer weniger Geld für den Eintritt bezahlt, kann mehr Geld für Schnaps ausgeben: 10x-4= doppelt so viel.“ „Stop! Gönnt euch eine Pause!“, versucht Doz die eskalierenden Festivalbesucher mit erschöpfter Stimme zu schützen. Doch zu spät, der Turn Up der Massen lässt sich nicht mehr stoppen.
Man verlässt den Campingplatz also fluchtartig und verabredet sich nur ganz eventuell und sehr missmutig zu späteren Flunkyballpartien. An dieser Stelle sind sich die Geschichtsbücher nicht ganz einig. Andere Quellen berichten, man hätte sich einfach nur versprochen. Ich kann hier ja auch nur schreiben, was die Presseagenturen vorgeben.
Im Backstage angekommen, blickt man auf den vom Management vorgegebenen Zeitplan des Tages und liest erfreut: „Zeit zu Relaxen“. So gammelt man den Rest des Nachmittags in der Hängematte rum, spielt einige Runden Slow-Motion-Tischtennis oder ballt ein wenig am Korb, wobei Matzes Hangtime über den Sommer deutlich nachgelassen hat, die 12 Punkte beim Korblegertest damals in der Schule sind für den einstig an dritter Stelle gehandelten Draftpick in weite Ferne gerückt.
Als man nach dem Konzert noch aufgeputscht vom tanzwütigen Publikum und dem siebenfachen Pre-Auftritts-Espresso in den Backstage kommt, bietet sich der Gang ein merkwürdiges Bild: Ganz hinten in der Ecke steht doch tatsächlich ein geöffneter Pferdeanhänger der heiß geliebten süddeutschen Polizei, aus dem es mysteriös leuchtet. Wie magisch angezogen betreten die Jungs den Hänger, in dem die Mustangs Amando und Ali Baba bereits darauf warten, sich mit ihrer Wärme und Ruhe für die Streicheleinheiten zu bedanken. Ein mystischer Energieaustausch ergibt sich und in der funkelnden Blesse der Hengste sieht jeder der fünf Bandmitglieder in nur wenigen Sekunden (oder waren es Jahre?) sein Leben vorbeiziehen. Seelisch gereinigt fallen die Jungs schließlich in ihre Betten: Soll man etwa seine jahrelange Demo-Steine-Schmeiß-Vergangenheit an den Nagel hängen und doch bei der Polizei anheuern?