03.08.2019
Als die Mitarbeiter der Von-Wegen-Lisbeth-Aktiengesellschaft das beschauliche Anröchte erreichen, schreiben wir bereits den neunten und damit letzten Tag dieser Festivalrutsche, bevor üppige 80 Stunden im heimischen Berlin zur Verfügung stehen, um den Körper wieder auf Vordermann zu bringen. Man könnte den Verlauf einer Festivaltour mit unzähligen Diagrammen und Graphen (nicht zu verwechseln mit diesem komischen Typen mit Glatze, der dauernd auf Sat1 zu sehen war) bildlich darstellen, man kann aber mit absoluter Sicherheit davon ausgehen, dass das Attribut „Körperliche Frische und Unversehrtheit“ von etwa 74 (bei Abfahrt) spätestens an Tag 7 den Nullpunkt überschreitet und damit am Anröchtetag bereits weit unter dem Gefrierpunkt liegt (in etwa so Trockeneisstatus). Bemüht man sich anfangs noch, wenigstens pünktlich in den letzten Minuten des Frühstücksbuffets aufzustehen, ist beim Big Day Out gegen 13 Uhr noch gähnende Leere im Lisbethuniversum, lediglich zwei müde Gestalten sind aus dem Bett Richtung Backstagesofa umgezogen.
 Während Jan Delay  schon fleißig soundcheckt und Anröchte wieder auf die Karte packt,  beschließt der wache Teil der Gang einen Spaziergang durch die  berüchtigte Anröchter Innenstadt zu unternehmen. Man kann auf keinen  Fall nach zehn Tagen Tour nach Hause kommen, und im Kreise der Familie  bei Erdbeertorte und zu heiß gebrühtem Kaffee zugeben, dass man  eigentlich keinen von den besuchten Orten so richtig gesehen hat. Man  verlässt also das Festivalgelände ohne am Sparkassenstand ein Konto  eröffnet zu haben und schlendert gedankenverloren durch die prächtigen  Alleen der Stadt. Der Geruch von frischem Rasen leitet die  Ausflugstruppe schon nach wenigen  Minuten wie magisch immer straight  nach links, zwischen Bank und Bushaltestelle hindurch, einmal um sich  selbst gedreht und – zack: Man steht vor einem gigantischen  Fußballplatz. Die Entscheidung fällt nonverbal, man könnte sich einiger  nicht sein: Die anderen werden rücksichtslos geweckt, auf den Platz  verfrachtet, zu einem Fußballturnier von epischer Länge gezwungen und in  der Halbzeitpause überlegt man sich ein paar Geschichten für Oma,  welch’ interessante Architektur in den eindrucksvollen Orten doch zu  entdecken war. Glücklicherweise scheint die Beginnercrew eher so auf dem  Basketballcourt zuhause zu sein, so dass man sich nicht mal mit den  gefährlichen Ghettorappern um den Platz streiten muss. Wie oft hatte man  früher von den Großen Arschschießen angedroht bekommen, bis man sich  schließlich freiwillig verzog.
 Nachdem die Schweriner  Fußball-Legende „Basti der Bestialische“ seinen Gegnern etwa 34 Tore  eingeschenkt hat, schickt er die Lisbeths mit einem raubtierhaften  Brüllen unter die Dusche und in direktem Anschluss auf die Bühne,  schließlich möchte er die Gang nach dem Konzert erneut an den  sportlichen Rand des Verderbens schicken. Die Band tut wie ihr geheißen,  absolviert devot ein Konzert, bestaunt dabei die große Anzahl derer im  Publikum, die sich auf Abifahrt zu befinden scheinen, verbeugt sich brav  und erklärt die Festivalrutsche für beendet.
 Im nahegelegenen  Boulestadion wird den Altmeistern Nordrhein-Westfalens noch der ein oder  andere Trick abgeguckt und die Diskussion angezettelt, ob es nicht  vielleicht für künftige Touren schonender wäre, anstelle von Fußball,  City-Roller und abstrusen Trinkgelagen lieber Boule zum lisbeth’schen  Nationalsport zu erklären.
 In einem traumlosen Schlaf schwebt das  Raubtierrudel zurück in die Hauptstadt, versiegelt den Hahn fest und  verspricht, das Bett bis zur nächsten Festivalrutsche nur im Notfall zu  verlassen.
 
								


