Düsseldorf ist die erste Etappe eines einwöchigen Konzertmarathons, der uns bis in die Schweiz und in die tiefsten Tiefen der Mienen von Moria…ähh also…des Schwabenlandes führen wird.
Lässiges Warmfahren mit langweiliger Sprintankunft, wie normalerweise bei ersten Etappen einer jeden Rundfahrt so üblich, ist allerdings nicht angesagt. Es beginnt direkt mit der Königsetappe, inklusive Bergankunft der 1. Kategorie, quasi das Alp d’Huez der Tour, wer jetzt abreißen lässt, muss sich irgendwie innerhalb der Kadenzzeit mit dem Peloton ins Ziel schleppen und kann die Hoffnungen auf das gepunktete Trikot ein für allemal begraben.
Und wer jetzt freiwillig weiterliest und immer noch nicht genervt den Laptop zuklappt, outet sich als „Tour de France“-Nerd. Klingt erstmal harmlos, bedeutet aber, dass du jahrelang zur besten Zeit des Jahres bei 32°C vor dem Fernseher saßt und wahlweise Lance Armstrong oder Jan Ullrich beim Fahrradfahren(!) zugeguckt hast, während deine Klassenkameraden damit beschäftigt waren, im Freibad Pommes mit extra viel Mayo zu essen und der hübschen Pia den Rücken einzucremen.
Wir müssen krass früh in Berlin losfahren und verhängen uns deshalb gegenseitig für den Abend vorher eine Ausgangssperre. Nach langer Diskussion erlauben wir uns dann doch für ein Bier ins Bäreneck zu gehen. Aber nur ein Bier. Der Plan, im Bäreneck nur ein Bier zu trinken, ist genauso realistisch, wie dass Hertha mal die Champions League gewinnt. Egal, träumen muss erlaubt sein. Wir treffen uns ziemlich zerknittert mitten in der Nacht um 8 Uhr morgens vorm Bandraum und fahren los.
Wir haben noch nie in Düsseldorf gespielt, Robert hat dort jedoch Verwandte und war vermutlich schon öfter in Düsseldorf als in Reinickendorf, deshalb kennt er sich bestens aus und wir fahren ohne große Umwege zum „Forum Freies Theater“. Soundcheck, Gnocchi essen, Kicker spielen. Alles wie immer. Der Veranstalter Julian ist sehr nice. Er hat zwar kein BumBum-Eis auftreiben können, uns dafür aber eine ganze Packung Kaktus-Eis in den Kühlschrank gestellt. Gute Wahl. Wenn es keinen Nimbus 2000 gibt, nimmt man halt den Sauberwisch. Auf jeden Fall ein stabiler Besen.
Wir treffen die Mädels von Madame Puschkiin, die auf ihrem Konzert eine freshe Dance-Choreo aufs Parkett schmeißen. Unbedingt auschecken. Wir betreten die Bühne und merken sofort, dass irgendwas nicht stimmt, als wir ohne Probleme sogar die Nagellackfarbe von dem Mädchen aus der 6. Reihe erkennen können – Das Saallicht war noch an. Durfte auch den ganzen Abend nicht ausgemacht werden. (Der „Konzerte spielen ist ein bisschen wie Sex“-Vergleich ist zwar ein alter Hut, dennoch: Neonröhren versprühen ungefähr den gleichen sexuellen Charme wie ein Leichenhaus.) Der Lichttechniker vom FFT muss ein heftiger Revolverheld Fan sein und summt leise während des gesamten Konzerts „Ich lass für dich das Licht an, auch wenns mir zu hell ist…“.
Egal, denken wir uns, ein atmosphärisches Neonröhren-Krankenhauslicht passt ja schließlich gut zu unser kranken Show. Die ist dann diesmal sogar so sick, dass wir danach sämtliche Instrumente zur Notaufnahme bringen müssen. Matze reißt im zweiten Lied die Saite, Doz lässt sich nicht lumpen und legt mit einer gerissenen Saite im vierten Lied solide nach, der Sampler ist kaputt, das eine Mikrofon macht Faxen, die Steeldrum ist in schlechterer Stimmung als die Türsteher vom Berghain. Es scheint, als hätten wir uns alle Pannen der bisherigen Tour für ein einziges Konzert aufgehoben. Wir haben trotzdem fett Spaß und hoffen, dem Publikum ging es ähnlich. Nach dem Konzert gehen wir gegenüber in eine Kneipe, wo es, wie uns erzählt wird, Schnaps umsonst gibt, wenn man dem Barkeeper zuzwinkert. Wir gehen rein und zwinkern und blinzeln häufiger als die Maus von „Die Sendung mit der Maus“ (Wieso hat die eigentlich keinen Namen?). Irgendwann nach dem 3. Bier erbarmt sich der Barkeeper und wir kriegen einen Apfelkorn aufs Haus, den wir uns brüderlich teilen. Nice.
Uns tun die Augen weh, wir fahren schlafen, Javier pennt mal wieder freiwillig auf der Rückbank im Auto.
Ab nach Kassel!